Traditionell wird das Thema UX ja eher als Gestaltungsthema gesehen. Doch je interaktiver eine Anwendung ist, desto wichtiger wird neben dem gestalterischen auch der narrative Aspekt der User Experience. Was dabei die Herausforderungen sind und was es grundsätzlich für erfolgreiches UX-Writing zu beachten gilt, erfahrt ihr hier.
Storytelling als Schlüssel
„Storytelling“ lautet auch beim UX-Writing das Stichwort – die Kunst, User*innen mitzunehmen auf eine informative und emotional ansprechende Reise, auf der sie sich intuitiv und ohne Irritationen zurechtfinden.
*Wo muss ich hier jetzt drücken?*
Wenn sich User*innen diese Frage stellen, hat das UX-Team nicht sauber gearbeitet. Den entsprechenden Button größer oder pulsierend zu machen oder die Swipe-Geste rechtzeitig einzuführen und konsequent durch die ganze Anwendung hindurch mit derselben Aktion zu besetzen, sind dabei gestalterische Ansätze zur Vermeidung dieses Problems.
Als UX-Writer*in hat man dagegen die Aufgabe, ein in sich schlüssiges Narrativ (den Plot) und ein Interaktionskonzept (das Drehbuch) zu entwickeln sowie Interaktionshinweise und gegebenenfalls Beschriftungen für Buttons und Ähnliches zu texten (die so genannte „Microcopy“).
Die größte formale Herausforderung ist dabei wie so häufig die Textlänge. Mehr noch als in den meisten anderen Formaten besteht bei interaktiven Anwendungen die Kunst darin, in möglichst wenig Worten viel Information und emotionale Qualität unterzubringen.
Case-Study: „Super-Juice“ – interaktive Streuobst-Wiese
Nehmen wir mal an, die (fiktive) Firma „Super-Juice“ will eine interaktive Anwendung, um über die Vorzüge ihres Apfelsafts zu informieren. Nehmen wir weiter an, dass sie sich eine interaktive Streuobstwiese wünscht, auf der man am Touchscreen auf einen großen, reifen Apfel drücken muss, um mehr über die gesunden Inhaltsstoffe zu erfahren. Ja, normalerweise machen Kund*innen zum Glück keine so konkreten Vorgaben, aber es soll ja auch nur ein Beispiel sein.
Als UX-Writer*in hat man jetzt mehrere Möglichkeiten, die User*in dazu zu bringen, auf den Apfel zu drücken:
Um mit möglichst wenig Text hinzukommen, wird hier gerne direkt neben dem Hotspot ein Interaktionshinweis gesetzt, zum Beispiel so:
*Hier drücken, um Informationen zu den Inhaltsstoffen unserer Äpfel zu erhalten.*
Das ist informativ, präzise, aber vollkommen unemotional – und als Beschriftung eines Hotspots auch deutlich zu lang.
Richtig kurz, aber deutlich weniger informativ und genauso unemotional:
*Für Infos hier drücken.*
Ihr merkt schon: So wird das nichts. Damit die User Experience wirklich Spaß macht, reicht es meistens nicht, einfach Hotspots oder Buttons zu beschriften.
Dynamisch einblendende Textbotschaften
Ich arbeite bei Anwendungen wie der oben geschilderten daher lieber mit dynamisch einblendenden Textbotschaften, die von der eigentlichen Aktion (im Beispiel: dem Apfel-Hotspot) getrennt sind, dafür aber auch eine emotionale Qualität haben und die User*innen direkt ansprechen.
Zum Beispiel so:
*Du willst wissen, was unsere Äpfel so gesund und lecker macht?
Dann pflück den dicken, grünen Apfel!*
Klar, das ist natürlich die längste Variante – aber eben auch die einzige, die einen gewissen Unterhaltungswert hat und die User*innen auf eine Journey mitnimmt. Und wenn man die zwei Sätze jetzt noch nacheinander einblendet, so dass am Ende nur noch das *Dann pflück den …* stehen bleibt, ist der Platzbedarf schon gar nicht mehr so enorm.
Und: Durch den vom Hotspot entkoppelten Interaktionshinweis reicht es dann, am Apfel selbst einfach einen pulsierenden Hotspot zu platzieren, der ganz ohne Beschriftung auskommt.
UX-Writing ist überall
UX-Writing betrifft natürlich nicht nur solche klar als interaktives Exponat oder Spiel gekennzeichneten Formate. Tatsächlich sind alle Anwendungen, bei denen Menschen in irgendeiner Form mit einem Interface interagieren, relevant für das UX-Writing. Und haben eine user-zentrierte Überarbeitung oft bitter nötig, wie dieses bekannte Beispiel zeigt:
*This page hasn’t loaded because you’ve encountered an unknown 505 error.*
Ja, auch Fehlermeldungen wie diese sind Teil der User Experience, auch wenn die Urherber*in dieses Satzes das offensichtlich nicht gesagt bekommen hat. Denn so relevant diese Information auch für die Programmier*innen einer Website sein mag, so wenig können die User*innen etwas damit anfangen. Deutlich besser ist da schon, ein trauriges Hündchen abzubilden und sich zu entschuldigen:
*Ups – da ist wohl etwas schief gelaufen! Bitte entschuldige – wir arbeiten daran!*
Idealerweise ergänzt wird dieser Hinweis natürlich um einen Button, mit dem man das Problem melden und zur vorherigen Seite zurückkehren kann. (Dessen Beschriftung auch wieder UX-Writing ist.)
Auch bei Registrierungs-Prozessen, Service-Terminals, Smartphone-Apps, KI-gestützten Chats und Formularen (z.B. bei Reklamationen) hilft gutes UX-Writing dabei, den User*innen eine frustfreie Nutzungserfahrung zu ermöglichen – und vielleicht sogar, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Denn letztlich ist UX-Writing immer ein Dialog mit den User*innen – da ist es doch besser, ein netter Gesprächspartner zu sein!
Fazit: Gemeinsam wird’s besser
Ihr seht: Beim UX-Writing kommt es also vor allem darauf an, dass man sich eng mit den UX-Designer*innen abstimmt und gemeinsam nach Lösungen sucht, die den User*innen eine schlüssige und emotional erfreuliche Erfahrung bieten.
Gestaltung, Dramaturgie, Timing und Tonalität – all diese Aspekte sind wichtige Stellschrauben, die mit jeder Umdrehung teils gewichtige Auswirkungen auf das Gesamterlebnis haben. Zu wissen, wie man diese Mittel einsetzen muss, um bestimmte Effekte in der User Experience zu erzielen, ist die hohe Kunst des UX-Designs und UX-Writings.